Liebes Wetter
Das Wetter, das uns in den ersten Mai des neuen Jahrtausends begleitete, sei ein „Wetter zum Verlieben". Titelte nicht nur diese Zeitung. Zum Mai-Wetter 100 Jahre früher hieß es: ,,Ein Wetter zum Helden zeugen". Welch Wandel! Damals wurde Liebe kombiniert mit politischen und militärischen Zielvorstellungen.
Das Wetter zum „Heldenzeugen" kalkulierte die Folge der Zeugung 16 Jahre später mit ein. Denn wer da zeugt und später gebärt, hat noch später alle Aussicht darauf, dass das Kind ein Paradestück der Schöpfung wird. Männlich nämlich. Zweitens wird der Knabe, der da entsteht, nicht nur einfach männlich, sondern - abermals später - ein tapferer Mann. Ein Held eben.
Wie viel hoffnungsschwangere Paare sich damals betätigten, um dem deutschen Kaiser den Wunsch zu erfüllen! Das Wetter machte Lust auf diesen hoffnungsschwangeren Wunsch auf Schwangerschaft und unter diesem Aspekt lassen sich die beiden Wörter der Überschrift dieser Kolumne naheliegenderweise in einem Wort zusammentun. Wie die Paare welche Helden zeugten - dank des Wetters.
Die österreichischen Verwandten unseres Kaisers liebten nicht so militärorientiert. Bei denen hieß solch Wetter nur ,,Kaiserwetter", Liebeswetter für ganz oben. Nach 1918 gab es kein Wetter mehr für Kaiserliebe und zum Heldenzeugen. Man liebte sich offenbar einfach so. Bzw. zweifach so.
Hingegen Ende der 20er Jahre und erst 33 - da häuften sich wieder die Wetterlagen, wo Liebe mit Produktvorstellungen verbunden wurde. Das
Wetter zum Heldenzeugen feierte Renaissance - ohne Kaiser. Dafür bis hinunter zum Gefreiten, der dadurch Held werden konnte.
Zwei Jahrhunderte davor suchte der Alte Fritz, der damals noch jung war, für seine neuerworbenen Hinterländer jede Menge Siedler. Er suchte Menschen für den frisch entdeckten Kartoffelanbau im großen Stil. Wahrscheinlich, höchstwahrscheinlich blickten die Männer im Kabinett des Königs bei bestimmtem Wetter aus den Fenstern und sagten laut oder leise, auf jeden Fall hoffnungsschwanger und zukunftsbezogen: Ein Wetter für Kartoffeln (durch die Vermehrung der Siedler). Im Fürstentum Lüneburg bzw. Herzogtum Braunschweig war es bei Liebeswetter bestimmt die Hoffnung auf neue, viele, kleine tüchtige Rübenbauern.
Es gab weitere Liebeswetter in der Vergangenheit - mit unterschiedlichen Zielvorstellungen. Dichter zum Beispiel - die liebten für ihre Lyrik. Die lautete dann so: ,,...von meinem Schatz das Liedel, das sing ich dann dazu." (Für Ungebildete in Sachen Liebeswetter: Das kommt aus der 4. Strophe von ,,Der Mai ist gekommen...") Gedichtet hat sie 1835 Emanuel Geibel und vertont - ein Pastor, den das damalige Liebeswetter auch packte. Pastor Lyra aus Bevensen. Er badete im Maiwetter, als Bevensen noch keine Ahnung vom Baden hatte. Und dachte dabei an Töne oder an sieben Kinder, ohne die ein (evangelisches) Pfarrhaus keines war. Letztlich auch zielorientierte Liebe aufgrund des Wetters.
Erst der Appell unserer Zeitung ist wieder zweckfrei: ,,Wetter zum Verlieben".
02. Mai 2000